Katharina Amann

Katharina Amann

USM und die gezielte Langsamkeit

04.03.2022 | Design

Vom ikonischen Erkennungszeichen stilbewusster Anwälte zum bunten Synonym für nachhaltiges Einrichten – der Hersteller für Büromöbel USM setzt auch in Zeiten rasanter Entwicklungen auf durchdachte Langsamkeit. Über diese geradezu anachronistisch anmutende Strategie sprach Design Lodge mit Marketingleiterin Katharina Amann.

„Wir sind eine Firma, die sich ganz langsam entwickelt. Man könnte meinen, dass wir uns stoisch nicht entwickeln“, lachend erklärt Katharina Amann, Marketingleiterin bei USM, was den Schweizer Möbelhersteller im Inneren zusammenhält. Bedächtigkeit scheint der Motor des Erfolgs zu sein.

Was als Metall- und Schlosserbetrieb im schweizerischen Münsingen begann, wurde ab den 1960er Jahren unter der Leitung von Paul Schärer zu einem Stahlmöbelbauer ausgebaut. Gemeinsam mit dem Architekten Fritz Haller entwickelte Schärer, der das Familienunternehmen bereits in dritter Generation führte, ein Regalsystem für den eigenen Bedarf. Haller hatte zuvor das neue Firmengebäude entworfen und nun war man auf der Suche nach Büromöbeln, die der Idee von Modularität und Vielseitigkeit des neuen Gebäudes entsprachen. Heraus kam ein Stahlkörper, der durch eine Kugelverbindung beliebig erweitert und immer wieder neu konfiguriert werden konnte. Der Clou des Systems war somit in einer kleinen eleganten Kugel verpackt, die später patentiert wurde. Das war es und ist es bis heute. Bei der Eigennutzung blieb es jedoch nicht lange – bereits wenige Jahre später standen die Module in den Büroräumen der Rotschild Bank in Paris. Das modulare Stahlmöbel wurde zum ikonischen Erkennungszeichen einer ganzen Generation von Architekten, Anwälten und Ärzten. In solidem Schwarz oder cleanem Weiß wandelten die Regale, Tresen und Rollschränke den spröden Amtstuben- und Lazarettcharme jener Jahre in ein stilsicheres Ambiente, das Kompetenz und Understatement ausstrahlte.

„Unsere Produkte sind rückwärts kompatibel.“

„Wir sind rückwärts kompatibel,“ erläutert Amann, was heißt, „dass alle neuen Möbelentwicklungen so angelegt sein müssen, mühelos mit Bestandsmöbeln vergangener Jahrzehnte technisch verknüpft werden zu können. Das ist ein sehr anstrengender Vorgang, aus dem man aber auch eine schöpferische Kraft ziehen kann.“ Jeder Entwicklungsschritt muss eine nachhaltige Innovation sein und gleichermaßen die Zeitlinie des übergeordneten Designmotives nach hinten aufnehmen. Der Regalboden mit den Blumentopfeinsätzen ist so ein Beispiel. Nach einem – man ahnt es – längeren Prozess bestand diese Produktneuheit den Zeitstrahltest. Die Marktreife war just zu Beginn der weltweiten Pandemie erreicht. Der Launch ein kommerzieller Erfolg. Konnten nun pünktlich zum kollektiven Umzug ins Homeoffice USM-Möbel adäquat begrünt werden. Zufall? Oder magische Kongruenz der Ereignisse, deren Sinn erst nachträglich verständlich wird? Wer sich weder vom Hype lenken noch von volatilen Märkten beeinflussen lässt und Sorgfalt gepaart mit Feingefühl im eigenen Takt schwingen lässt, scheint die Balance gefunden zu haben. „Bei uns finden viele Prozesse erst im Innen statt. Wir haben viele Fans, die genau das an uns lieben,“ beschreibt die Marketingleiterin den subtilen Charakter der Marke. Dazu gehört auch das für dieses Jahr angestoßene Vorhaben, sich noch einmal neu mit den Themen Nachhaltigkeit „in Hinblick auf unsere Corporate Behavior auseinander zu setzen.“

Was aber tun, wenn das Bild der Marke droht zu erstarren, weil die Möbel als eher männlich konnotiert wahrgenommen werden und aus einer Zeit stammen, deren Geist und Habitus sich gerade in Auflösungserscheinungen befindet? „Das ist eine Gradwanderung. USM ist zur Ikone geworden, weil dieser ‚Look and Feel‘ eben auch immer ein Statement war. Wir bieten seit jeher 14 Farben an. 12 davon waren in unserer eigenen Kommunikation lange Zeit nicht sichtbar, weil die Bildsprache über Schwarz und Weiß und nicht über das Bunte definiert wurde. Tatsächlich waren nicht nur in den 60er und 70er Jahren Orange und Grün sehr beliebt.“ Mittlerweile werden mehr Farben und originelle Konfigurationen sichtbarer. „Wir leben ganz viel davon, wie ideenreich unsere Kunden die Module nutzen. Das sind echte Impulse, weil sie authentisch sind.“ Was dazu führte, die bestehende Bildsprache um leichte und kreative Akzente zu bereichern. Dadurch habe sich die Reaktion der Kunden auf die Möbel verändert, beobachtet Marketingleiterin Amann. Sichtbar würde das in der mittlerweile häufig anzutreffenden Kaufmotivation, etwas Bleibendes besitzen zu wollen.

„Kunst und Design sind nicht trennbar.“

Concept Stores und Boutique-Hotels sind willkommene Projekte, weil sie eine große Sichtbarkeit haben. „Es sind die Händler oder Hoteldirektoren, die mit ihren Wünschen auf uns zu kommen. Die gemeinsame individuelle Konzeptentwicklung ist sehr inspirierend – auch, weil wir solche Vorhaben von uns aus erstmal nicht angestoßen hätten.“ Ein weiterer wichtiger Punkt in der wohltemperierten Langsamkeit des Unternehmens ist die Nähe zur Kunst. „Kunst und Design kann man nicht trennen. Wer sich für das eine interessiert, der hat ebenso ein Auge für das andere. Kulturräume sind auch immer soziale Räume der Zusammenkunft,“ erläutert Amann, selbst studierte Kunsthistorikern. Erst kürzlich hat USM mit der Fotogalerie Lumas kooperiert und Möbel im Kontext der Galerieräume präsentiert.

Genau hinschauen, tüfteln und abwarten – so tickt der rhythmische Dreiklang der Marke. Seit mehr als 60 Jahren. Mit einer Produktidee. In 40 Ländern. Neuseeland und Australien sind erst vor vier Jahren dazugekommen. Dort kann nicht auf gelernte Designgewohnheiten zurückgegriffen werden. Die Markensichtbarkeit muss länderspezifisch neu kuratiert werden. Anders in Korea: “Hier ist alles aus Europa ein Renner.“ Im Fall von USM wohl eher ein bedächtiger Renner.

Fotos: USM

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