Kreativer Luftraum: Die Kunst des Wolfgang Flad
Seine Skulpturen wirken wie eine schnell skizzierte Zeichnung in der Luft, sie erobern den Raum und wollen ergründet werden. Die Arbeiten des Berliner Künstlers Wolfgang Flad gehen respektvoll, geradezu behutsam mit den Betrachtern um – ohne jemals belanglos zu werden. Sie verlangen subtil die Auseinandersetzung, um über die künstlerische Aussage mit sich selbst in Kontakt zu kommen. Warum seine Arbeiten immer auch Aufforderungs-Charakter haben und seelenlose Standardisierungen im Alltag die Gefahr von Selbstentfremdung in sich tragen, erklärt Wolfgang Flad im Interview mit Design Lodge.
Wie kam es zu dieser Kombination?
Nachdem ich den Gedanken verworfen hatte BWL zu studieren, war mir klar, ich möchte gerne gestalterisch und schöpferisch tätig werden.
Ich finde bis heute die Idee, konkret an einer Wertschöpfung zu arbeiten unglaublich spannend. Wir als Künstler schaffen einen geistigen ideellen Wert, der sich dann materialisiert.
Zunächst Textildesign zu studieren hatte praktische Gründe und ich war als Persönlichkeit auch noch nicht so weit direkt Kunst zu studieren. Dieser Umweg hat sich aber auch als sehr positiv für mich herauskristallisiert, übrigens ebenso wie die Tatsache, dass ich mein Fachabitur mit einem Schwerpunkt in Wirtschaft abgeschlossen habe. Von dieser Basis profitiere ich bis heute.
Deine Arbeiten haben immer eine Dreidimensionalität.
Entweder sind es skulpturale Elemente, die im Raum stehen bzw. hängen oder Bilder mit bearbeiteten Oberflächen. Was ist deine Idee dahinter?
Zunächst bewegen wir uns als Menschen immer im Raum, orientieren uns und der Raum gibt auch eine Art Taktung vor. Genau das ist es, was mich anspornt, Bewegung zu generieren. Das ist offensichtlich bei meinen raumgreifenden Installationen, die sich dem Volumen oder dem Luftraum jedes Raumes anpassen und eine enorme Dynamik entfalten. Bei einer freistehenden Skulptur ist der Betrachter gefordert, von allen Seiten den verschlungenen Formen mit dem Auge zu folgen und zu entflechten. Ponderation ist der Begriff, der die Vielsichtigkeit einer Skulptur beschreibt. Bei meinen Skulpturen geht es um eine Art scheinbar schneller organischer Zeichnung in der Luft oder ein Umzeichnen von Raum. Das heißt konkret, es ist der „negative“ Raum, mit dem ich arbeite, also genau das, was eigentlich nicht da ist. Dazu gab es eine spannende Ausstellung im Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) Karlsruhe, an der ich beteiligt war. Wie wir heute wissen, besteht das Universum im Wesentlichen aus dunkler Materie, die bisher nicht genau definiert ist, aber alles bestimmend ist und alles in einem Gleichgewicht hält.
Liegt darin die Inspiration zur Moon-Serie?
Ja, auch meine Wandarbeiten aus der Serie „dark side of the moon“ thematisieren die Mondoberfläche als fremden unbekannten Ort. Die Arbeiten haben einen hohen Aufforderungscharakter: Je nach Perspektive verändern sich Farben und Tiefe. Die Spiegelung führt den Betrachter wieder auf sich zurück selbst. Am Ende geht es immer um uns selbst. Auch bei der Betrachtung von Kunst, die wie ein Spiegel unseren persönlichen Erkenntnishorizont aufzeigt und zu erweitern vermag.
Der Raum ist immer auch in einem sozialen Kontext zu sehen, weil in ihm Begegnung stattfindet. Wie gehst du damit um?
Da Kunst letztendlich am allermeisten mit uns selbst zu tun, eröffnet sie auch die spannende Möglichkeit des Dialoges und des Austausches. Voraussetzung ist natürlich, die grundsätzliche Bereitschaft zur Offenheit, Schwächen und Unwissen einzugestehen und sich trotzdem oder gerade deswegen mit dem Fremden auseinander zu setzen. Das ermöglicht völlig neue Perspektiven und neue Themen, die über funktionale und praktische Überlegungen weit hinausgehen können. Letztendlich finde ich auch Ablehnung oder Negation gegenüber Kunst immer ok, sofern darüber eine Diskussion stattfindet. Ich habe auch selbst schon häufig erlebt, dass am Ende genau dieses möglicherweise sperrige Kunstwerk im Hinterkopf bleibt.
Wie siehst du in diesem Zusammenhang deine künstlerische Arbeit?
Meine eigene Arbeit würde ich in ihrem fließenden Charakter und ihrer weichen organischen Formensprache als leicht zugänglich beschreiben. Ich freue mich immer sehr, wenn auch bei Menschen, denen Kunst eher fremd und weniger zugänglich ist, Assoziationen freigesetzt werden oder die Begeisterung für die Strukturen und die Bewegung intuitiv zum Ausdruck kommt.
Während der Pandemie war öffentlicher und kommerzieller Raum (Shops, Restaurants, Galerien etc.) gesperrt. Haben diese Aspekte deine Arbeit beeinflusst?
Die Pandemie hat deutlich gezeigt, wie sehr wir Künstler von öffentlichen Räumen und öffentlichem Diskurs abhängig sind. Unser künstlerisches Schaffen findet ja grundsätzlich im verborgenen Atelier statt und wurde dadurch nur insofern beeinflusst, dass die Konzentration auf die Arbeit wieder mehr gegeben war. Dennoch habe ich schon immer davon gesprochen, dass ein Kunstwerk erst dann vollendet ist, wenn es sein Gegenüber findet und seine Gravitation ausüben kann. Genau das war leider nicht möglich in dieser Zeit.
Übrigens sehr schade, denn genau das wäre eine wunderbare Zeit gewesen für diejenigen, die mit Timeslots, alleine und ohne Ansteckungsrisiko einen wunderbaren visuellen und intellektuellen Input und eine Auseinandersetzung hätten haben wollen.
Trotz geschlossener Galerien und Kunstmessen wurde während des Lockdowns stark in Kunst investiert. Was könnten die Gründe dafür sein?
Zum einen hatte jeder einfach mehr Zeit, Dinge zu realisieren, die seit längerem im Hinterkopf schlummerten – denn oft scheitert es nicht am Geld, sondern an Muße und Zeit. Zum anderen waren viele Menschen durch das Homeoffice damit befasst ihren privaten Raum noch mehr zu ihrem eigenen und persönlichen Umfeld zu gestalten und wollten sich mit individuellen schönen Dingen umgeben.
Suchen Menschen grundsätzlich nach einer anderen Wahrnehmung? Hilft die sinnliche Erfahrung, wie sie die Kunst bietet, dabei?
Ein riesiges Problem sehe ich in der seelenlosen Standardisierung von allem: Angefangen bei unserer Nahrung, Kleidung und Einrichtung bis hin zu Bestrebungen sogar in der Kunst durch – ich sage explizit – „seelenlosen Dekorationen“ in hohen Auflagen, speziell bei der Fotokunst. Aber wir Menschen haben, sofern es nicht verbaut und verblendet ist, ein sensibles Gespür dafür, was es bedeutet auf allen Ebenen die Entwurzelung von Traditionen, tradiertem Wissen zu erleben und zu einer austauschbaren Figur zu werden. Nicht dass Kunst uns vollständig davor retten könnte, aber es ist ein Anfang und Teil davon, uns zu definieren, uns eine Persönlichkeit auch nach außen zu verschaffen und eine intellektuelle Herausforderung für uns selbst. Dabei spielt es nur eine untergeordnete Rolle, ob ich ein Kunstwerk von wenigen hundert, mehreren Zehntausend oder sogar Hunderttausenden Euros kaufe. Das zeigt eigentlich nur, dass ich früh einen Trend erspürt habe oder definiert meinen sozialen Status. Entscheidend ist, dass es für den Käufer ein faszinierendes, beseeltes oder magisches Werk ist.
Hat sich der Kunstmarkt in den letzten 18 Monaten verändert? Was ist deine Erfahrung?
Ich bin kein Kunstmarktanalyst und kann es nur aus meinem Bauchgefühl und meiner persönlichen Erfahrung heraus beschreiben. Ich denke, dort wo es um vielversprechende junge Kunst oder direkt um „Wertanlagen“ geht, fließt von klassischen „Kunstmarktinvestoren“, die auf Wertzuwachs setzen aktuell sehr viel Geld und es gibt dort irrsinnige Preissteigerungen. Das hat sicher damit zu tun, dass unser weiches Geld massiv in die Wirtschaft und Gesellschaft gepumpt wird und Kunst als endliches Gut relativ vielversprechende Wertzuwächse hat. Ich sehe aber das große Bild der Kunstwelt und weiß, dass die ganze kreative Energie eben aus den kleinen Galerien, Non-Profit-Ausstellungsräumen, Kunstvereinen und kleinen Ateliers von jungen Künstlern genährt wird. Genau das muss gekauft und gesammelt werden, denn das sind die großen Künstler von morgen. Also das eine geht nicht ohne das andere und es sollte um die Kunst gehen, nicht um Rendite. In der Kunst steckt ein viel wertvollerer Mehrwert als nur Geld.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Natalie Häntze.
Wolfgang Flad (*1974 in Reutlingen) hat zunächst Textildesign an der FH Reutlingen studiert und anschließend Malerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. 2005 erhielt er den Förderpreis der Columbus art foundation, Ravensburg. Seither folgten Einzel- und Gruppenausstellungen in den USA, vielen europäischen Ländern, Israel und in Thailand. Seit 2006 lebt und arbeitet Flad in Berlin und wird von Galerien in Stuttgart, Wuppertal www.Groelle.de, Köln, Berlin, Madrid und Taipeh vertreten.
Fotos: Wolfgang Flad Studio
Newsletter
Abonnieren Sie unseren Newsletter und wir informieren Sie über neue Beiträge auf Design Lodge.
Erhalten Sie außerdem exklusiven kostenlosen Zugang zu Premiumbeiträgen.
Wir versenden unseren Newsletter nicht öfter als alle 4–5 Wochen.
Vielen Dank!
Wir verwenden Ihre E-Mail ausschließlich zum Versand des Newsletters und geben sie niemals weiter!