Markenrecht: Retaildesign besser schützen

09.09.2022 | Design, Interview

Die neue Sehnsucht nach aufregenden Destinationen sorgt für steigende Investitionen im Einzelhandel. Je kreativer und aufwändiger der Store, umso größer der Wunsch, Idee und Gestaltung vor Nachahmung zu schützen. Kein einfaches Unterfangen, wird der Markenschutz für Räume doch immer noch sehr eng interpretiert. Warum das überholt ist und sich dringend ändern muss, erklärt Prof. Thomas Hoeren, Herausgeber des Buchs „Moderecht“ im Interview mit Design Lodge.

Wie kam es dazu, ein juristisches Buch über Mode herauszugeben?

Ich unterrichte schon lange an der der Anwaltsakademie Moderecht und da lag es nahe, alle dazugehörigen Themen und Rechtsgebiete in einem Buch zusammen zu fassen. Nach dem ich dem C. H. Beck Verlag diesen Vorschlag unterbreitet habe, kam es zunächst zu einem persönlichen Gespräch mit der Geschäftsführung, in dem ich die offensichtlich etwas ungewöhnliche Idee darlegte. Ziel war es, ein absolut praxisnahes Werk zu verfassen. 

Ungewöhnlich ist auch die Illustration – eine Figurine – auf dem Titel…

Das war eine Idee des Verlags. Die Figurine ist extra für den Titel gestaltet worden, um dem Thema auch visuell Ausdruck zu verleihen.

Der Begriff Moderecht ist keiThomas Hoeren: Moderechtne anerkannte Rechtsgattung, sondern setzt sich aus vielen verschiedenen Rechtsgebieten zusammen. Was umfasst es alles?  

Als ich begann, das Thema an der Akademie zu unterrichten, starteten wir mit einer kleiner Gruppe Zuhörer, die innerhalb kürzester Zeit immer größer wurde. Das Thema war also relevant. Die dynamischen Entwicklungen sowohl in der Textilindustrie als auch in Handel machten es erforderlich, immer differenziertere rechtliche Grundlagen in das Lehrprogramm zu integrieren. Neben dem Marken- und Urheberrecht kamen beispielsweise kartell- und handelsrechtliche Fragen für Absatz- und Vertriebsmodelle hinzu. 

Marken- und Urheberrechte werden auch bei der Gestaltung von Verkaufsflächen und Läden immer wichtiger, sind aber hierzulande schwer zu schützen. 

Das ist ein sehr spannendes Thema und ich hätte es gerne im Buch größer dargestellt. Leider ist es schwierig zu bearbeiten, weil es auch ein Gebiet ist, über das wenig gesprochen wird. In Deutschland stehen wir im Vergleich zu den USA noch am Anfang, dort gehört der Schutz von Verkaufsräumen klar ins Markenrecht. Ich hoffe, es für die zweite Auflage umfangreicher bearbeiten zu können.

Spätestens seit Apple die Gestaltung seiner Flagshipstores in den USA schützen lassen konnte und vor dem EuGH ein Urteil erstritten hat.

Genau das ist das Thema. Grundsätzlich hat der EuGH gesagt, dass ein innovatives und unverwechselbares Storedesign zur Markenidentität gehört und deswegen auch Markenschutz erhalten kann. Das setzt praktisch voraus, dass jeder, der den Laden betritt sofort weiß, bei welcher Marke er sich befindet. Eine Verwechselbarkeit also ausgeschlossen ist. Für ein Logo ist die Wiedererkennbarkeit möglich, bei dem entsprechenden Ladengestaltung wird es da – insbesondere auch nach Ansicht des Deutschen Patentamtes – schon deutlicher schwieriger. Nach deutschem Rechtsverständnis fällt das Design der Ladeneinrichtung eben nicht unmittelbar unter den Markenschutz eines Logos oder Markennamen. Aufgrund des EuGH-Urteils muss aber hier ein Umdenken stattfinden.

Wie kann das Storekonzept geschützt werden?

Grundsätzlich nach dem Urheberrecht. Das setzt nicht nur eine besondere Anforderung an die Kreativität, Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit des Designs voraus, vielmehr muss es auch der Prüfung standhalten, dass es noch 70 Jahre nach dem Tod des Schutzrechteinhabers schützenswert ist. Das ist eine Aussage, die niemand treffen kann und schon gar nicht im Einzelhandel. Der sogenannte nicht eingetragene Gemeinschaftsschutz besteht im Prinzip schon mit Erschaffung des Designs. Entfaltet seinen Schutz aber nur, wenn das Designobjekt vollständig kopiert wurde und es keine Abweichungen zum Original gibt. 

Nun ist das Thema stationärer Handel und Storegestaltung pandemiebedingt in den letzten zwei Jahren zum Erliegen gekommen. Gewinnt aber jetzt wieder deutlich an Relevanz.

Ja, die Entwicklung geht auch dahin, dass die Läden aufwändiger und anspruchsvoller gestaltet werden. Diese mit hohen Investitionen entwickelte Kreativität verlangt dann auch nach Schutz vor Kopien. Über das Urheber- und Markenrecht gibt es Möglichkeiten. Aber den Schutz, wie es das US-amerikanische Recht vorsieht gibt es nicht. Es wird wohl in Europa zu einer Aufweichung durch die amerikanische Rechtsprechung kommen. Nämlich genau dann, wenn große finanziell gut ausgestattete Unternehmen den Klageweg in Europa beschreiten, um einen vollständigen Schutz nach amerikanischem Vorbild zu erlangen. Dann wird man sich nochmal intensiver damit auseinander setzten müssen. Anfänge hat es bereits gegeben: Die Gastronomiekette Vapiano wollte einen umfassenden Schutz für Design sowie die Art der Speisezubereitung und des Gästeservices. Durch die Insolvenz von Vapiano ist das Verfahren aber nicht weiterverfolgt worden.

Wie gehen Italien und Frankreich damit um. Länder, die traditionell einen anderen Zugang zu Design haben.

In Frankreich gibt es sogar einen Sonderschutz für Mode, weil dort Modedesign als kultureller Bestandteil gesehen wird. In Italien wird im Urheberrecht gerne mal ein Auge zugekniffen, wenn es um die 70-Jahres Regelung geht. Hier ist man grundsätzlich eher bereit, den Schutz zu gewähren. Design wird in den beiden Ländern nicht nur als Wirtschaftsgut gesehen – sondern ist Teil der kulturellen Identität.  

Auch Büroflächen, Workspaces und Headquarter folgen mittlerweile einem CI-Konzept. Könnte das auch unter den Markenschutz fallen?

Die Entwicklung wird dahin gehen, dass für solche Räume Markenschutz beansprucht wird. Themen wie nachhaltiges Bauen werden immer wichtiger. Das setzt besondere technische Entwicklungen und Innovationen voraus, die wiederum hohe Investitionen der Unternehmen bzw. Marken erfordern und damit steigt der Bedarf, sich vor Nachahmern zu schützen. 

Wie findet man spezialisierte Kanzleien für dieses Rechtsgebiet?

Das ist tatsächlich nicht ganz einfach. Mode als Spezialgebiet für Anwälte gibt es in Deutschland eigentlich nicht. In den USA sind Fashion-Lawyer völlig normal. Es wird an den Universitäten gelehrt genauso wie in Italien. In Frankreich gibt es hervorragende Experten auf diesem Gebiet, die arbeiten aber alle für die großen Modehäuser und sind sonst eher verschwiegen. 

Wie kamen Sie auf die Idee, sich so intensiv mit Mode auseinander zu setzen?

Vor über zehn Jahren habe ich einen Film über Sapeur im Kongo gesehen. Das ist eine Gruppe von Menschen, die sich trotz oder gerade wegen der armen Verhältnisse zur Aufgabe gemacht hat, extravagante Kleidung zu kreieren und zu tragen. Dabei strahlen sie so viel Freude aus. Das hat mich beeindruckt und dazu inspiriert, Mode sozusagen juristisch zu betrachten. 

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Natalie Häntze

Prof. Dr. Thomas Hoeren leitet an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster das Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift „Multimedia und Recht“ (C.H. Beck), der „Zeitschrift für Rechtstheorie“ (Duncker & Humblot) und des „International Journal of Law and Information Technology“ (Oxford University Press).

„Moderecht“ ist im C. H. Beck Verlag erschienen und richtet sich inhaltlich an Hersteller, Händler und Verbände von Modeerzeugnissen sowie Werbe- und Designagenturen und Kanzleien in diesem Bereich. Das Handbuch begleitet die rechtlichen Zusammenhänge von Modeerzeugnissen von ihrem Entwurf über die Produktion bis zum Absatz. Alle für den Modebereich relevanten Rechtsgebiete werden abgedeckt. Der besonderen internationalen Prägung des Moderechts werden durch Kapitel zum ausländischen Recht (USA, Italien, Frankreich, Türkei) Rechnung getragen.

Porträt: privat / Buchtitel: C. H. Beck Verlag

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