Swarovski nimmt das Luxussegment ins Visier

04.03.2022 | Design

Glamour, Glitzer und Corona: Wie der Kristall-Hersteller Swarovski aus Wattens in Österreich den Lockdown genutzt hat und nun mit neuer Markenstrategie auftrumpft. Wonderstores und die Mathematik des Designs: Design Lodge sprach mit Jochen Schmidt, Vice President Distribution & Real Estate, über Wandel, Expansion und die Magie der bunten Steine.

Jochen Schmidt, Vice President Distribution & Real Estate

Jochen Schmidt, Vice President Distribution & Real Estate

Instant Wonder Stores – die neuen Wunderläden der österreichischen Kristallmarke sind die glitzernde Frischzellenkur für das Traditionshaus. Fast 90 Prozent der Swarovski-Läden waren während er Pandemie geschlossen. Der fehlende Umsatz konnte vom Onlinebusiness kaum aufgefangen werden. Jetzt hat sich die Marke neu aufgestellt und greift dabei auf die Idee der Wunderkammern zurück, jener Orte also, die in Fürsten- und Königshäusern der Spätrenaissance als Repräsentation von Status und Macht galten. Fanden sich in den vielen Fächern und Schubladen dieser Kabinette doch kuriose Objekte aus Fauna und Flora genauso wie mit Edelsteinen besetzte Pretiosen.

In Zürich, London, Berlin, München und Köln können Kunden bereits an den kleinen dicht an dicht gedrängten mit buntem Samt ausgeschlagenen Nischen, Fächern und Spiegeln entlang flanieren. Neben opulenten Colliers mit passendem Ring und Armband finden sich genauso die Figuren der berühmten Glasmenagerie sowie geschliffene Objekte. Was als gelungener Auftritt mit Anspruch auf Verzückung daher kommt, ist aber auch der sichtbare Ausdruck eines tiefgreifenden Wandels. Nicht nur, dass mit Giovanna Battaglia eine neue Kreativdirektorin die Verantwortung übernommen hat und mit ihr eine Formsprache in die Kollektionen einzieht, die deutlich kapriziöser, farbiger und ausdrucksstärker ist. Geplant ist nichts weniger als ein komplettes Upgrading der Traditionsmarke, um bereits im laufenden Jahr in die Gewinnzone zurückzukehren.

Erreichbarer Luxus ist das Credo

Hat man sich bisher immer als „Demokratisierung“ des Luxus verstanden, erklärt Jochen Schmidt, Vice President Distribution & Real Estate, und im Storedesign mit Präsentationssäulen und verschließbaren Glaskuben an der hochwertigen Jewellery orientiert, wurde unter der Leitung des zu Ende letzten Jahres ebenfalls demissionierten Konzernchefs Robert Buchbauer ein scharfer Kurswechsel eingeläutet. „Attainable Luxury lautet die neue Unternehmensvision. Wir peilen die Markennachbarschaft zu Tiffany und Bottega Veneta an, eben Luxus, der erreichbar ist. Damit verlassen wir die bisherige Kategorie Premium. Ziel ist es,“ so Schmidt, „zum Chrystal Lifestyle Brand zu werden.“ Dieser Strategieentscheidung vorausgegangen ist eine internationale Kundenumfrage, bei der insbesondere die starken Märkte Middle East und Südamerika im Fokus standen. Die bisherige Kollektion wird durch eine neue höherpreisige Produktekategorie konsequent nach oben weiter entwickelt. Mit dem aufwändigen neuen Storekonzept will man sich zudem 1A-Toplagen in internationalen Luxusmalls und auf der Highstreet sichern.

Eine deutlich verbesserte Verzahnung von stationärem und Online-Handel hatte bereits der mittlerweile aus der Unternehmensführung ausgeschiedene langjährige Konzernsprecher Markus Langes-Swarovski eingeleitet. Das von Patricia Urquiola entwickelte Storedesign von 2018/19 verfolgte noch einen puristischen Ansatz, der über diverse technische Gadgets verfügte, um die Kunden direkt im Store zur virtuellen Interaktion anzuregen.

Mathematik des Designs

Als Mathematik des Designs beschreibt Architekturchef Schmidt die neue Entwicklung. Forciert werde der Ausbau von Forschung und technischer Weiterentwicklung, damit die Farben der Steine noch satter, tiefer und natürlich funkelnder werden. Angepeilt wird damit aber auch der attraktive Markt der sog. Created oder Lab-Grow Diamonds. Diese laborgezüchteten Diamanten simulieren den Naturprozess, bei dem unter starkem Druck und bei glühender Hitze Kohlenstoffatome zu festen Kristallgittern gepresst werden und so zu Rohdiamten werden. Ihre Klassifizierung erfolgt ebenso nach Karat und es zählen Qualitätsmerkmale wie Klarheit und Lufteinschlüsse.

Da es außerhalb des Stammsitzes in Wattens/Österreich weltweit keine anderen Produktionsstandorte gibt, kann der Herstellungsprozess auf eigens dafür entwickelten Maschinen komplett inhouse dargestellt werden. Das Unternehmen verfügt zudem über ein eigenes Wasserkraftwerk.

The show must go on – das gilt vor allem für das große Geschäft mit den Kooperationen. Chanel, Versace, Armani und Supreme waren es in dieser Saison. „Mit dem Ausbau dieses Segments denken wir auch daran, einzelne Designs auf unseren Flächen zu präsentieren,“ erklärt Schmidt mit Blick auf den glamourösen Sneaker Crystel Cool Airmex von Nike.

Ob diese vielversprechende und notwendige Strategie greift, bleibt abzuwarten. Sie hat allerdings das Zeug dazu, als „Funke des Jenseits“ in die Firmengeschichte einzugehen – um es mit den Worten von Markus Langes-Swarovski, die er dereinst dem Handelsblatt zu Protokoll gab, auszudrücken.

Text: Natalie Häntze
Fotos: Kirsten Pelau, Alessandro Saletta/DSL Studio, Steffen Kugler

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